Constants & Variables

Published by Tim on Sunday July 12, 2020

Last modified on January 25th, 2024 at 14:07

A few months ago, Philip Jursch and Dogu Kaya interviewed me for their Master Thesis titled “Constants & Variables” at the Münster School Of Design. Unfortunately the wonderful book will probably not be published and that’s why i’ve asked them for the permission to post the interview (in German language) on my website. Here it is!

Thanks Dogu & Philip!

Constants and Variables on Behance
Philip Jursch on Instagram

Inwiefern hat sich das Berufsbild der Designer*innen, vor allem durch technologische Entwicklungen, in den letzten Jahren verändert?

Ich bin mit dem Beruf des Designers groß geworden. Mein Vater hatte 30 Jahre lang eine zwischenzeitlich sehr erfolg­reiche Marketing-Agentur und da habe ich gelernt, wie krass Veränderungen in immer kürzer werdenden Abständen Einzug in die Branche erhalten.

In meiner Bachelorarbeit ging es um die Zeitgeschichte zwischen meinem Geburtsjahr 1985 und dem Jahr 2012. Unter anderem habe ich damals auch verschiedene Designer befragt: Unter Anderem Eike König, Professoren unserer Hochschule, aber auch meinen Vater und sein großes Designer-Vorbild Hendrik Albowitz. Während dieser Gespräche ist mir klar geworden, wie wichtig das Thema Technologie und die Veränderung allge­mein ist. Sie hat das ganze Leben dieser Menschen bestimmt. Bei einigen hat das auch einen negativen Einfluss auf die Biografie gehabt. Es gab auf einmal Technologien, die deren Aufgaben übernommen haben. Einer der von mir Interviewten hatte sich zu lange dagegen gesträubt und ist innerhalb von wenigen Jahren, komplett pleite und daran kaputt gegangen. Das habe ich hautnah miterlebt und das war prägend für mich.

Wie gehst du damit um, dass sich dein Beruf im ständigen Wandel befindet?

Ich habe dadurch gelernt, dass man als Designer bei Technologie einfach mitgehen muss. Das war meine Quintessenz aus der ganzen Sache. Damals habe ich relativ stark mit meinem Beruf gehadert. Ich habe mich oft gefragt, ob ich das überhaupt will, diese völlige Ungewissheit mit all ihren Konsequenzen. Mir war klar, dass die krassen Veränderungen im Beruf des Design­ers alltäglich sind. Das ist ein Vorgang mit dem man sich immer beschäftigen muss, was aber auch totalen Spaß machen kann!

Experimenteller Umgang mit neuen Werkzeugen ist für mich eine ganz große Erfüllung aber das ist eben auch mein Glück. Mein Vater sagte irgendwann mal: »Scheiße, ey! Jetzt muss ich von Quark XPress auf InDesign umsteigen.« Es hat einige Jahre gedauert bis er zulassen konnte, dass auf einmal ein anderes Interface für genau die gleiche Aufgabe benutzt werden muss.

Ich denke heute andersherum: Wenn ich etwas gelernt habe will ich sofort die nächste Challenge. Und vor allem interessiere ich mich dafür, wie ich diese Leidenschaft und die Herangehens­weisen an meine Studenten und Workshop-Teilnehmer weiter­geben kann. Ich finde das Unterrichten extrem spannend – Ich liebe es mit jungen Leuten kreativ mit Themen und Technologien umzugehen!

Wie kamst du zum Creative Coding?

Ab 15 habe ich elektronische Musik produziert und später dann mit Hardware live performt. Irgendwann um 2014 ist Patrik Hübner, heute einer meiner besten Freunde, zu diesem Musik-Projekt dazu gestoßen ist. Patrik ist ein brutal talentierter Designer mit tiefgreifenden Coding-Skills. Irgendwann sagte er mal zu mir »Ich mach dir die Visuals für Injuvik – lass uns doch mal überlegen wie wir das machen könnten.«Er entdeckte Processing, lernte es in atemberaubenden Tempo und auf einmal hat er bei den Live-Shows generative Visuals an die Wand gezaubert, die direkt auf meine Musik reagieren. Das fand ich unglaublich! In der elektronischen Musik gibt es seit vielen Jahren einen starken Konkurrenz-Kampf. Heute kann jeder seine eigene Musik machen, weil eben jeder so ein Programm auf dem Rechner hat. Wir hatten mit diesen generativen Visuals plötzlich einen USP, das war schon ziemlich einzigartig. Ab dem Moment kamen viele Anfragen. Wir hatten tolle Konzerte, haben auf Festi­vals gespielt und so weiter. Patrik kam immer wieder mit neuen Ideen daher. Das hat mich irgend­wann so neugierig gemacht, dass ich dann plötzlich keine Lust mehr auf Musik hatte. Ich wollte unbedingt das machen was er macht.

Wie ging es dann weiter?

Ich hatte schon immer eine gewisse Faszination für neue Technologien. Nach dem Erfolg mit Injuvik und der darauffolgenden Zerschlagung des Projektes habe ich dann mein ganzes Leben auf dieses Thema geeicht. Auf Tumblr und Behance sieht man überall das Gleiche.

Jeder macht heute schöne, nichtssagende Poster oder eine serifen­lose Schrift. Das ist sowas von inzestuös… Design for Design. Nicht falsch verstehen: Ich liebe Typografie! Trotzdem habe ich gemerkt, dass das nicht die Bühne ist auf der mein Leben stattfinden darf. Es ist ein Riesenirrtum zu denken, dass Typografie der Schlüssel zum Erfolg ist. Die tollsten Designer waren und sind auch tolle Typografen. Aber trotzdem passiert das was im Design in naher Zukunft wichtig ist nicht in der Typografie, sondern in der Technologie bzw. der Digitalisierung. Mit JavaScript Webseiten wie Applikationen aufzubauen, also richtige Software zu programmieren, mit Web-Technologie, das ist neu! Machine Learning, also Algorithmen zu entwickeln, die generativ Layouts zusammenbauen. Das ist alles disruptiv und wird viele Gestalter ihren Job kosten, dennoch ist es das womit wir Designer umgehen müssen.

Als Kreative müssen wir eine Ethik, bzw. eine Philosophie dafür entwickeln, die wir auch an unsere Kunden weitergeben: Die Wertschätzung für Kreation bleibt mit Sicherheit, aber für die Wertschätzung für gute Gestaltung müssen wir kämpfen, ohne die Innovation zu verteufeln.

Wie hast du Processing gelernt?

Oh, da kommt man nicht mal eben so rein. Man kann nicht einfach über einen Monat eine Viertelstunde Processing am Abend lernen, so funktioniert das leider nicht. Man muss sich am Stück einmal initial Zeit nehmen, um sich da einzuarbeiten.

Die Lernkurve ist relativ steil am Anfang, da gehen wenige drüber. Wenn man das aber trotzdem tut, ist dahinter ein großes krea­tives Territorium, in dem es noch ganz viel zu entdecken gibt.

Das ganze hat bei mir 2015 angefangen, nachdem ich mich mit Patrik gestritten hatte, nachdem ich die Band gekippt habe. Das fand der damals natürlich gar nicht gut, weil er auch viel Energie in unser Projekt gesteckt hat. Irgendwann haben wir uns dann aber wieder zusammengerauft und eine Hütte im Wald gemietet, wo wir uns dann gemeinsam intensiv mit Processing beschäftigt haben. Das war ein richtiges Ein-Siedler-Leben für knapp eine Woche und das war für mich der zündende Funke für das Thema »Creative Coding«.

In deinem Projekt ›Lo-Fi Poster Machine‹ hast du einen Plakat-Generator entwickelt und öffentlich zur Verfügung gestellt. Du hast also ein Gestaltungswerkzeug geschaffen, überlässt aber die eigentliche Gestaltung dem Nutzer. Was könnte dieses Arbeitsprinzip über die Zukunft unseres Berufes aussagen?

Dazu habe ich ein tolles Zitat aus einer Facebook-Gruppe. Dort gab es heute einen Kommentar zu einem Post in dem es um die Frage ging: »Was ist die wichtigste Eigenschaft am Generativen Design?« Da hat jemand drunter geschrieben: »To make seeds and not trees«. Es geht hier um die Definition des Systems und nicht um die des Mediums. Man ist also nicht damit be­schäftigt alle »Äste an den Baum zu machen«, sondern man widmet sich mit der Entwicklung eines »Samens«, aus dem dann unendlich viele »Bäume« wachsen können. Das vereinfacht die Arbeit des Designers enorm und macht ganz neue kreative Horizonte auf.

Auch im »Programming Posters«-Projekt und in meiner Lehre definiere ich ein System, welches eine ganz spezielle visuelle Ästhetik hat und innerhalb diese Systems definiere ich Vorgaben wie zum Beispiel das Poster-Format, die Farbe und die Schriften. Damit habe ich ein System erschaffen in dem ganz viel möglich ist. Ich könnte aus dem Output genauso gut ein Video oder eine Briefmarke machen. Das ist interessant, weil damit diese Grenze zwischen den Medien, die oft an den Hochschulen gezogen wird, aufgebrochen wird.

Es wird in letzter Zeit oft darüber diskutiert, dass KIs oder Roboter-Kollegen uns unsere Arbeit abnehmen sollen. Findest du, dass Design komplett berechenbar und rationalisierbar ist oder gibt es im Design eine Komponente, die man rational nicht erklären kann?

Wir müssen das vor allem philosophisch hinterfragen: Wollen wir von Maschinen generiertes Design? Wollen wir, dass Maschinen uns irgendwelche emotionalen Fragen beantworten? Man kann gewisse Dinge schon automatisieren: Ein Algorithmus kann deine Daten analysieren und ungefähr feststellen was dir gefallen könnte. Außerdem werden Computer irgendwann auch Designsysteme entwickeln können, während der Gestalter den Output bewertet und kuratiert. Die Frage ist allerdings, ob dann nicht irgendwann etwas Vergleichbares wie mit der Fotografie passiert: Vor Jahrzehnten  wirkten Stock-Fotos noch sehr intensiv. Irgendwann wurden sie allerdings immer günstiger und infla­tionär eingesetzt. Heute ist individuelle und händisch produzierte Fotografie wieder deutlich hochwertiger als jedes Stock-Foto.

Die Werkzeuge der Designer*innen werden immer mehr demokratisiert. Wie stehst du zur Öffnung unseres Berufsfeldes?

Es ist ja heute schon so, dass die Agenturen gar nicht genug Plätze für die vielen Studenten im kreativen Bereich haben. Viele Absolventen landen dann halt als Mediengestalter in den Agenturen. Das sind natürlich gefährliche Arbeitsplätze weil sie automatisiert werden können. Man sagt, dass man Kreativität noch nicht automatisieren kann und das wird auch hoffentlich nie möglich sein. Also die Ideenentwicklung, das Kreative und auch das Menschliche, das bleibt hoffentlich. Wir müssen uns auf den kreativen Part konzentrieren und gucken, dass wir darin gut werden oder an der technischen Front ganz weit vorne mitspielen.

Würdest du weiter arbeiten, wenn dir die Arbeit abge­nommen werden könnte?

Ich mag meinen Job sehr gerne und würde mich auch weiter­hin damit beschäftigen, allerdings vielleicht auf einem anderen Gebiet. Ich werde wahrscheinlich bis zu meinem Tod kreativ
arbeiten. Technologie und Kunst sind für mich spannende Spiel­felder. Das macht Spaß und das erfüllt mich mit Sinn. Meine kreative Arbeit bleibt mit Sicherheit, die Umsetzung ist die große Variable.

Wie bereitest du dich auf die Zukunft vor und was rätst du jungen Designer*innen?

Ich habe den Bereich der Programmierung als Basis-Skill in mein Leben integriert, der am Markt enorm wertvoll ist. Code ist das Material aus dem quasi alles besteht. Die disruptiven Technologien über die wir gerade gesprochen haben werden alle mit Programmierung und Code entwickelt. Ich finde es spannend, dass man Gestaltung nicht mehr nur auf das Visuelle reduziert. Ich finde es ganz wichtig, dass man eben auch die Systematik und die Logik mit ins Studium integriert. Außerdem sollten Designer viel enger mit Entwicklern auf Augenhöhe zusammen arbeiten, sodass die beiden Berufsfelder vielleicht irgendwann miteinander verschmelzen. Programmierung muss attraktiver werden, ganz ähnlich wie es derzeit die Typografie ist.

Außerdem sollte man auch eine eigene ethische und moralische Position zum Design entwickeln und nicht einfach immer alles Moderne und Coole adaptieren. Ebenso ist es wichtig, dass man sich nicht für den Beruf aufgibt: Bei dem ganzen Druck, der von den Medien auf uns einstürmt, werde auch ich oft völlig verrückt. Dann gilt es radikal auf Informationsdiät zu gehen.
Es heißt ja immer »du musst dies und das machen«. Man muss sich da ein bisschen zurücklehnen. Es geht am Ende immer noch darum, dass man ein glückliches Leben hat.

Kleiner Tipp: Rhythmus erspart Kraft! Wer einen guten Weg wählt und ein Ziel verfolgt, ist garantiert erfolgreicher als jemand, der alles ausprobiert und am Ende ein »Jack of all trades« ist.

Allgemeinwissen ist super wertvoll, auch viele Aspekte des Berufes zu verstehen. Allerdings sind die richtig erfolgreichen Berufstätigen in Zukunft wahrscheinlich Spezialisten!. Also solche, die sich mit ganz bestimmten Dingen besonders gut auskennen. Ich würde jedem empfehlen etwas zu finden, das nicht nur Spaß macht, sondern auch gefragt und zukunftssicher ist. Programmierung ist definitiv eine gute Wahl! Immer ein bisschen neugierig bleiben. Das ist ein gutes Rezept!

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