Interview with PAGE online (German)

Published by Tim on Wednesday January 8, 2020

Last modified on January 25th, 2024 at 14:07

»Nur programmierende Gestalter sind den Problemen unserer Zeit gewachsen«

08.01.2020 von Lena Simonis

Foto: Stephan Knappmeier

Im Interview berichtet Tim Rodenbröker von seiner E-Learningplattform für Processing und erklärt, wieso Mediengestalter heute enorm von technischen Skills profitieren.

Tim Rodenbröker absolviert gerade seinen Master im Fachbereich Gestaltung an der Fachhochschule Bielefeld. Er hält Programmierung für eine der wertvollsten Fertigkeiten unserer Zeit und unterrichtet seit vielen Jahren Studenten im Bereich Creative Coding. Nun startet er seine eigenen E-Learning-Plattform. PAGE hat er verraten, was ihn an der Verbindung von Kunst und experimenteller Softwareentwicklung reizt.

Du entwickelst zur Zeit eine Lernplattform für Processing und Creative Coding, wie kam es dazu?

Tim Rodenbröker: Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Code ist das Material, aus dem Innovationen gemacht sind. Gestalter profitieren enorm davon, wenn sie verstehen, wie digitale Produkte unter der Haube funktionieren. Darüber hinaus heißt Programmieren lernen, systemisches Denken zu trainieren und das ist eine Superkraft! Programmierung hilft also nicht nur bei der Entwicklung von digitalen Produkten, es schult das menschliche Gehirn auf effiziente Weise.

Ich habe aber auch noch eine ganz konkrete Antwort im Ärmel: Es gibt riesige Herausforderungen, wenn es um die Zusammenarbeit zwischen Gestaltern und Technikern gibt. Die beiden Units streiten sich unablässig und ich glaube, ich habe eine mögliche Lösung gefunden: Ein ganz neuer Typus von Gestalter, der »Creative Technologist« kann diese Lücke schließen. Er ist entweder das Bindeglied zwischen beiden Parteien, oder er deckt bei kleineren Projekte eine oder sogar beide Seiten ab: Design und Technik. Processing stellt eine ideale Basis dar. Es richtet sich konkret an Gestalter und ebnet Wege, die sonst durch etliche frustrierende Hindernisse blockiert sind. Ich möchte jungen Leuten langfristig als Lehrender gerne eine Perspektive an die Hand geben. Und ich glaube daran, dass Creative Coding ein wunderbares Werkzeug ist, um Perspektiven zu schaffen. Deshalb arbeite ich jetzt auch mit Studierenden aus meinen Kursen an dieser Platform. Und das macht mir große Freude!

An welcher Stelle im Prozess stehst du?

Die Plattform wird über meine Website laufen, dort baue ich gerade einen Paid-Content-Bereich auf, in dem man Kurse als einzelne Module kaufen kann. Ich bin schon recht weit: Das UI steht, die Inhalte für die ersten beiden Kurse sind auch so gut wie fertig. Jetzt muss ich noch die Videos aufnehmen und noch ein paar eCommerce-spezifische Probleme lösen. Das gehe ich jetzt an. Ich denke Mitte 2020 geht es los!

Wie bereitest du die Kurse auf?

Jeder Kurs erzählt eine eigene kleine Story. Ich will noch nicht zu viel verraten aber mein Ziel ist es, die Nutzer emotional abzuholen. Zu jeder Lektion gibt es ein circa fünfminütiges Video, einen ausführlichen Text mit Codebeispielen sowie mit zusätzlichen Download-Links und Verweisen zu internen und externen Tutorials, falls man tiefer in ein Thema einsteigen möchte.

Welche Gedanken hast du dir zum Lernkonzept gemacht?

Die erste und fundamentale Aufgabe bei der Entwicklung so eines Angebotes ist, die Frage nach dem »Warum« zu beantworten. Warum sollte sich eine Kommunikationsdesignerin mit dem Thema beschäftigen? Meine Gedanken kreisen seit Beginn um diese Frage. So kriege ich heraus, was wirklich Relevanz hat. Und das ist dann der Grundstein für einen Kurs. Alle Kurse bauen auf einem Curriculum auf, das bei Null anfängt. Reine Gestalter beginnen dann am besten mit dem Grundlagenkurs, Menschen aus der Welt der Programmierung können direkt in Kurse mit Gestaltungsschwerpunkt einsteigen. »Programming Posters« zum Beispiel. Der Kurs verrät eine ganze Reihe an Tricks, nicht nur über die Programmierung, sondern auch rund um die Themen Kreativität und Ästhetik. Hier liegt ein Zettel neben mir, darauf stehen elf Kursideen, die alle das Curriculum ausbauen. Das will ich in den nächsten Jahren machen.

Planst du auch eine Community, Foren, Chats? Wie läuft der Rückkanal?

Ich habe schon ein paar Facebook-Gruppen gegründet, oder administriere sie; beispielsweise das Generative Design Research Network mit über 4000 Mitgliedern, oder Crazy Cool Developers für Leute, die sich für Web, User Interface und Brutalismus interessieren. Außerdem Creative Coding Days, da veranstalten wir Hackathons, treffen uns für eine Woche mit zehn bis 15 Leuten aus ganz verschiedenen Ecken Europas bei einer niederländischen Künstlerin im Landhaus und alle coden irgendwas und tauschen sich aus. Für alle Fragen rund um meine Kurse soll es auch so ein Forum geben. Ich überlege gerade noch, wo ich das am besten hoste. Vielleicht wird es auch ein Slack-Kanal. Mal sehen.

Worum geht es in den ersten beiden Kursen konkret?

Im ersten Kurs dreht sich alles um die Creative-Coding-Essentials, er ist sehr breit angelegt. Es geht um die Grundlagen der Programmierung für Kreative. Der zweite Kurs heißt »Programming Posters«, da geht es darum, ganz angewandt Ideen für interaktive Plakate zu entwickeln. Historisch hat das Plakat ja drei mediale Phasen durchgemacht: erst gedruckt, dann animiert und jetzt interaktiv – also ein ganz neues Medium. Der Kurs lehrt, die verschiedenen Medien auf ihr Potenzial hin zu hinterfragen und zu schauen, was man mit ihnen machen kann, wenn man Programmierung involviert.

Wo siehst du das Potenzial von Processing bei der Mediengestaltung?

Ich würde die Frage etwas anders stellen, denn Processing ist nur ein sehr rudimentäres Werkzeug. Wenn man aber mal nachfragt, wie sich Generatives Design in der Entwicklung von (Print-)Medien einsetzen lässt, sehe ich da unendlich viele Potenziale: Durch die Designautomatisierung, lassen sich plötzlich Layouts basierend auf Datensätzen entwickeln. Es lassen sich aber auch Werkzeuge entwickeln, die für die Gestaltung jeder Art von Medium geeignet sind. Die Möglichkeiten sind so groß, dass ich Kopfschmerzen bekomme.

Ist Processing also die Lösung all unserer Probleme oder hat es auch Defizite?

Nein, absolut nicht. Man muss das so sehen: Processing ist lediglich ein relativ archaisches Werkzeug. Es zwingt Dich, die Dinge zu durchdenken und zu hinterfragen. Creative Coding ist eine Denkschule und Processing ein geeignetes Werkzeug, um die Aufgaben dieser Denkschule zu lösen. Es gibt Designer und Agenturen, die mit Processing große Enterprise-Level-Apps bauen, skalierbare Designtools für große Marken. Ich mache so etwas im Kleinen auch immer wieder mal für meine Kunden, man muss hier aber ganz klar sagen, dass für die Entwicklung einer umfangreichen App extrem viel Zeit kostet und viele vermeintliche Selbstverständlichkeiten nicht umsetzbar sind. Das erfordert ein exzellentes Projektmanagement und eine noch bessere Kommunikation zwischen allen Stakeholdern. So etwas ist als Freelancer extrem gefährlich! Processing-Projekte können völlig eskalieren. Die Skalierbarkeit von Processing-Apps ist nur mit enormen Anstrengungen und sehr viel Know-How machbar.

Für kleine Projekte eignet sich Processing hingegen sehr gut! Sei es ein Design-Tool für Plattencover, verspielte Datenvisualisierungen oder generative 3D-Grafiken. Die teils zufälligen Ergebnisse aus einem Processing-Projekt eignen sich perfekt für experimentellere, offenere Kundenprojekte.

Du hast beim ADC Düsseldorf Ende November 2019 einen Vortrag gehalten, in dem es um Deinen Kurs »Programming Posters« ging. Was war die Kernbotschaft?

Ich habe die Kommunikation zwischen Designern und Entwicklern thematisiert. Die fehlende Augenhöhe und die fehlende Kompetenz auf beiden Seiten. Wie oben schon erwähnt: Ich glaube, dass wir einen neuen Typus von Gestalter brauchen, der in der Schnittmenge zwischen Design und Technik unterwegs ist und die Lücke schließt. Ich nenne diesen Typus den »Creative Technologist«. Im Grunde ging es um das Loslassen veralteter Prinzipien in der Ausbildung von Gestaltern. Ich würde mir wünschen, dass man aufeinander zu geht, um effektiver zusammenzuarbeiten. Und dass mehr Hochschulen lehren würden, wie man als Gestalter in einer immer digitaler werdenden Welt besteht.

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